UNWAHRSCHEINLICHE GEFÄHRTEN – Palestrina & Casulana (Palestrina 500)

Das Konzert nimmt die nachwachsenden Generationen von Madrigalkomponisten im späten 16. Jahrhundert in den Blick und stellt drei unwahrscheinliche Protagonisten gegenüber: Giovanni Pierluigi da Palestrina (1525–1594), Maddalena Casulana (um 1544 – etwa 1590) und Raffaela Aleotti (um 1575 – nach 1620).
Der 500. Geburtstag des berühmten römischen Komponisten im Jahr 2025 bietet dafür einen interessanten Kontext. Denn seine Zeitgenossin Casulana ist alles, was Palestrina nicht ist: Er arbeitete 23 Jahre lang für den Papst in der prestigeträchtigsten Kapelle der westlichen Geschichte. Sie spielte ihre Laute, sang in den Ridotti von Venedig und war Musiklehrerin. Sein kompositorisches Hauptwerk konzentrierte sich auf geistliche Musik für den Gottesdienst: Messen, Motetten, Klagelieder, Magnificats. Ihr einziges kompositorisches Schaffen bestand aus weltlicher Musik. Er lebte im frommen, ultra-religiösen Staat des päpstlichen Rom; sie in dem eher weltlich orientierten, theaterbegeisterten, seefahrenden, merkantilistischen venezianischen Reich. Obwohl er kein Kleriker war – ein großer Vorteil, der seine Laufbahn früher hätte vorantreiben können – machte Palestrina eine unglaubliche Karriere und kompo-
nierte über 780 Werke.
In der kleinsten, man könnte sagen, für sein Amt unbedeutendsten Gattung, komponierte Palestrina mindestens 149 Madrigale, die ihm definitiv zugeschrieben werden können. Casulana wiederum verfolgte einen für eine Frau ihrer Epoche ungewöhnlichen Werdegang und wurde angeblich in ganz Venedig hoch gelobt. Der venezianische Verleger Gardano bezeichnete Casulana als „die Muse und Sirene unserer Zeit“. Sie komponierte 66 Madrigale, die den Großteil ihres Schaffens ausmachen. Ihr größter Ruhm besteht aus heutiger Sicht in der Tatsache, dass sie, soweit wir wissen, als erste Frau ihre eigenen Werke auch unter ihrem eigenen Namen veröffentlichte.

Der Kontrast, den sie zu Palestrina bildet, ist umso interessanter, als im Jahr 2022 die Altstimme eines Buchs mit fünfstimmigen Madrigalen von Casulana entdeckt wurde, wodurch ein weiteres Werk von ihr für die Aufführung verfügbar gemacht werden konnte. Dem Ensemble liegt die neue Ausgabe vor, die die Musikwissenschaftlerin Laurie Stras zu dieser Musik herausgegeben hat, nachdem sie die Stimme in einem Moskauer Archiv entdeckte. Mehrere Stücke aus dieser Sammlung werden im Programm aufgeführt.
Wir konnten nicht widerstehen, Werke einer weiteren Komponistin hinzuzufügen, der Nonne Raffaella Aleotti, die als eine Art symbolische Brücke zwischen den Hauptfiguren Palestrina und Casulana gesehen werden kann. Musikalisch von sehr jungem Alter an im Kloster San Vito in Ferrara ausgebildet, wurde sie zu einer an der Orgel und vielen anderen Instrumenten versierten Künstlerin. Zusätzlich zum Komponieren diente sie im Kloster als Maestra der Musik bis zu ihrem Tod. Aleottis zahlreiche Kompositionen umfassen mehrere weltliche Madrigale und geistliche Motetten.